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Schluss mit der einseitigen Fokussierung auf die Unfallzahlen!

17.06.2020

Des einen Freud, des anderen Leid: Auch so könnte man die jährliche Strassenverkehrs-Unfallstatistik des Bundes lesen. Werden die Autos nämlich immer grösser, sicherer und mit mehr vom Fahren ablenkenden Entertainmentsystemen ausgestattet, ist das zum Nachteil der Zweiradfahrer. Wegen ihrer schmalen Silhouette werden sie selbst von Autoassistenzsystemen schlecht erkannt, geschweige denn von unaufmerksamen Autofahrenden.

Mehr E-Bikes auf den Strassen führen zu mehr Unfällen. Diese Gleichung scheint zum Standard zu werden. Ausgeblendet wird, dass die Unfallzahlen bei weitem nicht im selben Umfang wie die stark wachsende Anzahl E-Bikerinnen und E-Biker zunimmt. Ausgeblendet wird ausserdem, dass E-Bikende nicht nur öfter auf dem Fahrrad sitzen, sondern auch weitere Strecken zurücklegen, also länger auf der Strasse unterwegs sind. Würde man die Fahrleistung auf Personenkilometer umrechnen, wie das bei der Bahn und im Flugverkehr üblich ist, gäbe es keinen signifikanten Unterschied zu den Unfallzahlen normaler Velofahrer.

Klar ist: Jeder Unfall ist einer zuviel. Velofahrer und E-Biker haben diesbezüglich ein gemeinsames Problem. Sie sind, bedingt durch das Fehlen einer schützenden Karosserie, verletzlich. Zudem sind sie sturzanfällig, da sie nur einspurig unterwegs sind. Ist die Fahrbahn verunreinigt und sind Hindernisse wie Geleise, Dolendeckel, Fahrbahnmarkierungen, parkierte Autos auf Radwegen, Randsteine oder andere Unebenheiten (z. B. im Winter gefrorene Exkremente von Pferden auf Radwegen) im Weg, kann das zu Stürzen bzw. Kollisionen führen. Zweiradfahrerinnen und -fahrer haben auch einen längeren Bremsweg, da nur zwei Reifen – anstatt wie beim Auto vier – die Verzögerung auf den Boden übertr.gt. Für Zweiradlenker ist eine vorausschauende Fahrweise im Strassenverkehr deshalb überlebenswichtig. Gegen rücksichtslos bewegte SUVs, die am stärksten wachsende Fahrzeuggruppe bei den Personenwagen, nützt jedoch das beste Sicherheitskonzept nichts. Die Autos sind bauartbedingt so hoch, dass man als Velofahrender bei einer seitlichen Kollision immer mit dem Gesicht auf die Dachkante aufschlägt. Da nützt der beste Helm nichts.

Es gibt nur einen Weg, um das Velofahren und E-Biken sicherer zu machen: Es muss auch Velofahrenden eine adäquate Infrastruktur mit genügend Strassenraum zur Verfügung gestellt werden, damit sie ihr Rechtsfahrgebot unbehelligt wahrnehmen können. Überholende Kraftfahrzeuge müssen (wie in Deutschland) den Zweiradlenkenden einen gebührenden Sicherheitsabstand gewähren.

Anstatt einseitig auf die Unfallzahlen zu fokussieren, müsste doch gerade in Corona-Zeiten auch mal die Frage erlaubt sein, wie viele Leben durchs Velofahren und E-Biken erhalten und verlängert werden. Wie viel gesundheitlicher Mehrwert, Lebensqualität und Freude durchs Velofahren generiert werden. Und wie viel Frust und Stress durchs Velofahren in der Stadt vermieden wird, weil man mit dem Fahrrad weniger gezwungen ist, im Stau zu stehen oder einen Parkplatz suchen zu müssen.

Weitere Informationen

Schweizerische Fachstelle Velo und E-Bike SFVE
Martin Platter, 044 764 20 86, 079 231 87 18, fachstelle-velo.ch

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